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OECD-Steuerreform

Die internationale Unternehmensbesteuerung ist seit mehreren Jahren Fokus einer intensiven Debatte innerhalb der OECD und der G20-Staaten. Untersucht wurden vor allem die Auswirkungen des Steuerwettbewerbs und des Strukturwandels auf Infrastrukturen, Unternehmen und Absatzmärkte. Auch die Schweiz hat sich bereit erklärt, die neue Steuerreform zu übernehmen. Der parlamentarische Prozess dazu läuft.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die G20-Staaten – ein Zusammenschluss der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer – untersuchen seit mehreren Jahren die Auswirkungen des internationalen Steuerwettbewerbs und des Strukturwandels auf Infrastrukturen, Unternehmen und Absatzmärkte. So wurde der internationale Steuerwettbewerb in den letzten Jahren vermehrt als «Race to the Bottom» mit schädlichen Nebeneffekten für die betroffenen Bürger und Infrastrukturen betrachtet. Ausserdem hat der Strukturwandel zu neuen Unternehmensformen geführt, bei denen der Ort der Wertschöpfung nicht mehr zwingend der physische Firmensitz oder Produktionsstandort ist, sondern die Absatzmärkte. Gewinne sollten also auch am Absatzmarkt (in den sogenannten Marktstaaten) besteuert werden können und nicht nur bei einem Firmenstandort in einer Steueroase.

Um diese Probleme zu meistern, haben die OECD und die G20-Staaten 2021 eine Steuerreform beschlossen, bei der einerseits ein internationaler Mindeststeuersatz für Unternehmensgewinne gelten soll (Reduktion des Steuerwettbewerbs) und andererseits Gewinne in den Marktstaaten besteuert werden. Letzteres soll eine Digitalsteuer, wie sie in verschiedenen Ländern schon angedacht oder eingeführt wurde, ersetzen. Das «Race to the Bottom» soll in ein «Race to the Middle» verwandelt werden. Die Steuerreform soll bis 2023 umgesetzt werden. Soweit haben sich 136 Länder bereit erklärt, sich der Reform anzuschliessen.

Auch die Schweiz hat sich bereit erklärt, die Reform zu übernehmen. Der Bundesrat schlägt in einem ersten Schritt eine neue Verfassungsnorm vor, welche Bund und Kantonen die Kompetenz zur Umsetzung der Reform geben soll. In einem zweiten Schritt soll eine Übergangsbestimmung die Reform temporär auf Verordnungsstufe regeln, um eine Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2024 zu ermöglichen. Die Verordnung soll schliesslich durch ein Bundesgesetz abgelöst werden. Gegenstand der momentan laufenden Konsultation des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD sind die Verfassungsnorm und die Übergangsbestimmungen. Der parlamentarische Prozess dazu soll Ende 2022 abgeschlossen werden. Eine Volksabstimmung folgt im Juni 2023.

«Das «Race to the Bottom» soll in ein «Race to the Middle» verwandelt werden. »

Marktstaatenbesteuerung

Die Marktstaatenbesteuerung (Säule 1 der Steuerreform) gilt für multinationale Unternehmen ab einem Jahresumsatz von über EUR 20 Milliarden und einer Gewinnmarge von über 10%. Das betrifft rund 100 der grössten Unternehmen weltweit (z.B. Firmen im ICT-Bereich, wie Amazon, Google oder Microsoft, die sich in der Schweiz angesiedelt haben), nicht aber Rohstoffunternehmen, Banken und Finanzdienstleister. Welche Firmen das in der Schweiz genau betrifft, ist derzeit noch unklar. Der erläuternde Bericht des EFD macht dazu keinerlei Angaben. Ob zum Beispiel Versicherungen oder Rohstoffhändler (nicht Produzenten), von denen es in der Schweiz einige gibt, dazu gehören, ist ungewiss.

Die physische Präsenz der Unternehmen wurde bisher als einziger Wertschöpfungsort betrachtet und war somit für die Firmenbesteuerung massgebend. Der Strukturwandel zu neuen Unternehmensformen geführt, bei denen der Ort der Wertschöpfung nicht mehr zwingend der physische Firmensitz oder Produktionsstandort ist, sondern die Absatzmärkte. So hat Google (Alphabet) zum Beispiel Niederlassungen in Irland und in der Schweiz, wo die Steuersätze tief sind, die Absatzmärkte aber klein. Weder Irland noch die Schweiz kennen zudem eine Digitalsteuer, wie sie beispielsweise von Frankreich, Österreich, Italien, Spanien und Grossbritannien vorgesehen sind.

«Die physische Präsenz der Unternehmen wurde bisher als einziger Wertschöpfungsort betrachtet und war somit für die Firmenbesteuerung massgebend. Der Strukturwandel zu neuen Unternehmensformen geführt, bei denen der Ort der Wertschöpfung nicht mehr zwingend der physische Firmensitz oder Produktionsstandort ist, sondern die Absatzmärkte.»

Die mit der Reform vorgesehene Abschaffung der Digitalsteuer kann zu Steuereinbussen führen, allerdings kann diese teilweise auch durch die Marktbesteuerung kompensiert werden. Der steuerberechtigte Anteil (25%) des Gewinns über der 10% Gewinnmarge wird allerdings auf alle Marktstaaten mit einem Umsatz von über EUR 1 Million (weniger für kleine Länder) verteilt. Eine allfällige Doppelbesteuerung wird abgezogen. Für die Schweiz dürfte das einen Verlust an Steuereinnahmen bedeuten, da sie bisher als attraktiver Standort für betroffene Firmen galt, bei einem gleichzeitig kleinen Absatzmarkt.

In den Übergangsbestimmungen des Bundesrats wird die Marktstaatenbesteuerung nicht geregelt. Ein multilaterales Abkommen soll die Marktstaatenbesteuerung und das besondere Streitschlichtungsverfahren regeln. Dieses soll von den teilnehmenden Staaten Mitte 2022 unterzeichnet werden. Die Unterzeichnung des Abkommens liegt in der Kompetenz des Parlaments. Da die Schweiz keine unilaterale Digitalsteuer vorsieht, ist sie von deren Abschaffung auch nicht betroffen.

Mindestbesteuerung

Für die Mindestbesteuerung (Säule 2 der Steuerreform) gilt ein anderer Betroffenenkreis, nämlich Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Millionen. Für diese Unternehmen gilt eine Mindestbesteuerung von 15% bei allen Unternehmensteilen. Wird die Mindestbesteuerung von 15% nicht erreicht, soll neu eine Ergänzungssteuer die Differenz ausgleichen. Ansonsten kann die Differenz vom Ausland in einer anderen Geschäftseinheit erhoben werden. Die Schweiz hat also ein Interesse daran, die Ergänzungssteuer zu erheben. Umgekehrt besteht auch für die Schweiz die Möglichkeit, die Differenz bei der Schweizer Geschäftseinheit zu erheben, sollte ein Unternehmen im ausländischen Geschäftsteil tiefer besteuert werden. Das heisst, die Gewinnsteuer von Bund und Kantonen bleibt bei allen Unternehmen gleich, es kann aber gegebenenfalls eine Ergänzungssteuer erhoben werden.

Diese wird durch die Kantone erhoben und kann auch von den Kantonen verwendet werden. Der Steuerwettbewerb unter den Kantonen sollte somit nicht betroffen sein. Die finanziellen Auswirkungen der Mindestbesteuerung für die Schweiz sind auch schwer abschätzbar. Diese hängen unter anderem von allfälligen Änderungen bei den Steuersätzen in anderen Staaten ab, sowie auch vom Verhalten der betroffenen Firmen. Tendenziell sollte die Schweiz, mit ihren tiefen Steuersätzen Mehreinnahmen (Steuern) durch die Mindestbesteuerung generieren, sofern die betroffenen Firmen nicht wegziehen. Letzteres soll durch eine Erhöhung der Standortattraktivität verhindert werden.

Standortmassnahmen und -attraktivität

Die Steuerreform hat einen direkten Einfluss auf die Standortattraktivität der Schweiz. Deswegen müssen die drei Pfeiler der Standortattraktivität (Steuern, Stabilität und Fachkräfte) auch neu ausbalanciert werden, nachdem sich die steuerliche Situation international angeglichen hat. Für Standortkantone sollen insbesondere Massnahmen für die Verbesserung der Anstellungsbedingungen qualifizierter Fachkräfte (betroffene Firmen und Hochschulen) vorgesehen werden:

  • Vereinfachte Zulassungsregelungen für qualifizierte Fachkräfte (Drittstaaten)
  • Skills-Initiative für inländische Fachkräfte (Kantone)
  • Verbesserte Vereinbarkeit (familienexterne Kinderbetreuung, Elternzeit, Individualbesteuerung)

Multinationale Unternehmen können zwar selbst mit firmeneigenen Massnahmen die Vereinbarkeit verbessern oder Skills verbessern, wenn aber die Steueranreize an einem Standort verschwinden, steigt der Anreiz in ein Land zu ziehen, wo die Bedingungen für Mitarbeitenden besser sind.

«Die Steuerreform hat einen direkten Einfluss auf die Standortattraktivität der Schweiz. Deswegen müssen die drei Pfeiler der Standortattraktivität (Steuern, Stabilität und Fachkräfte) auch neu ausbalanciert werden, nachdem sich die steuerliche Situation international angeglichen hat.»

Darüber hinaus muss die Rechtssicherheit für Firmen in der Schweiz auf eine solide Basis gestellt werden. Solange der vertragliche und institutionelle Rahmen mit der EU nicht geklärt ist (vgl. Bilaterale Verträge Schweiz-EU), kann dies nicht garantiert werden. Deshalb ist es für die Schweiz umso wichtiger, mit der internationalen Angleichung in Sachen Unternehmensgewinnsteuern, andere Standortvorteile auszubauen, bzw. Nachteile abzubauen. Die ungeklärten Fragen in der Beziehung zur EU, sind ein klarer Nachteil.

Die ausführlichen Argumente der plattform entnehmen Sie der Vernehmlassungsantwort.

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