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Gesamtstrategie oder Pflästerli-Politik?

Am 15. Mai 2019 hat der Bundesrat eine Reihe von Massnahmen zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials beschlossen. Die plattform begrüsset den Ansatz, bedauert aber, dass die Arbeitsmarktintegration von Frauen, welche eine weit grössere Gruppe von nicht erwerbstätigen Fachkräften darstellt, nicht thematisiert wurde. Gesamtstrategie oder Pflästerli-Politik?

Die plattform begrüsst die sechs Massnahmen zur Förderung des inländischen Fachkräftepotenzials, welche gestern vom Bundesrat vorgestellt wurden. Sie fördern die (Re-)Integration von in der Schweiz wohnhaften Personen in den Arbeitsmarkt. Die Massnahmen richten sich vor allem an ältere Arbeitnehmende und Personen mit nicht formalen oder ausländischen Bildungsabschlüssen, welche es schwerer haben, eine Stelle finden. Gleichzeitig bedauert die plattform, dass die Arbeitsmarktintegration von Frauen, eine weit grössere Gruppe von nicht erwerbstätigem Fachkräftepotenzial, nicht spezifisch thematisiert wurde. Gerade Massnahmen, die finanzielle Anreize schaffen (z.B. Individualbesteuerung) oder die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern (z.B. familienexterne Kinderbetreuung), haben einen signifikanten Erwerbseffekt auf die oftmals gutausgebildeten Frauen in der Schweiz.

Auch die siebte, vom Bundesrat vorgestellte Massnahme, welche eine Überbrückungsleistung für ausgesteuerte Arbeitslose über 60 Jahre vorsieht, ist ein Schritt in die richtige Richtung. "Arbeit muss sich immer lohnen" betont Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz. "Es darf nicht sein, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, in der Sozialhilfe landen, weil sie keine neue Beschäftigung finden." Was hier fehlt, ist die Einbettung in eine grundlegende Reform der Altersvorsorge, welche sich der Frage des Rentenalters offen stellt." Die Rechnung geht aufgrund des demographischen Wandels nicht auf: Viel zu wenig Beitragszahler stehen einer immer wachsenden Gruppe von Rentnern gegenüber. Die Gewerkschaften werden eine Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau, geschweige denn eine Anpassung an die Lebenserwartung, auch in Zukunft vehement bekämpfen. 

«Es darf nicht sein, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, in der Sozialhilfe landen, weil sie keine neue Beschäftigung finden.»

- Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz
 

Genauso werden sich die Gewerkschaften gegen das verhandelte Rahmenabkommen mit der EU stellen. Der Bundesrat, der die sieben Massnahmen als flankierende Massnahmen für die Personenfreizügigkeit präsentiert, hat in der Europapolitik das Heft aus der Hand gegeben. Die Schweizer Bevölkerung steht klar hinter der Personenfreizügigkeit und auch hinter dem Rahmenabkommen mit der EU (vgl. SRF und gfs.Bern). Die Personenfreizügigkeit hat keine negativen Effekte auf die Beschäftigung in der Schweiz. Im Gegenteil: Die Schweiz profitiert pro Kopf, wie die Studie der Bertelsmann Stiftung gezeigt hat, auch am meisten vom EU-Binnenmarkt.

Die plattform vertritt die Interessen der Berufsleute in Dienstleistungs- und Wissensberufen in der Schweiz und setzt sich für eine faire und offene Schweiz ein. Sie fordert den Bundesrat auf, die Führung im EU-Dossier wieder zu übernehmen und klar zu kommunizieren, was und wohin er will. Daniel Jositsch, Präsident des Kaufmännischen Verbands schliesst ab: "Ängste müssen ernst genommen und durch griffige Massnahmen langfristig bekämpft werden. Mit der derzeit geführten Pflästerli-Politik verschwinden sie nur vorübergehend."

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