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Elternzeit: Mythen und Realität

Seit 2021 haben Väter in der Schweiz einen Anspruch auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Obwohl es sich dabei um einen wichtigen Teilerfolg handelt, bildet die Schweiz im OECD-Vergleich weiterhin das Schlusslicht in Punkto Anspruchsberechtigungen für Eltern. Es braucht dringend ein neues Elternzeitmodell.

Der demographische Wandel beeinflusst den Arbeitsmarkt der Zukunft. Der Fachkräftemangel verschärft sich. Neben Massnahmen zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit von älteren Arbeitnehmenden ist demnach auch eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung der inländischen Bevölkerung – vor allem der Frauen – gefragt. Gerade Massnahmen, die finanzielle Anreize schaffen oder die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern, haben einen signifikanten Erwerbseffekt auf diese Bevölkerungsgruppe.

Die plattform fordert deswegen eine bezahlte Elternzeit, welche Mütter und Väter zu gleichen Anteilen beziehen können. Teil einer solchen Elternzeit sind weiterhin mindestens 14 Wochen Mutterschaftsurlaub und der neue Vaterschaftsurlaub. Über die geburtsbezogene Betreuungszeit hinaus soll eine flexibel beziehbare und zwischen beiden Eltern aufteilbare Elternzeit beansprucht werden können.

Dieses Modell gibt Müttern und Vätern den erforderlichen Spielraum, um die Betreuung des Kindes besser untereinander aufzuteilen und zu gestalten. Ausserdem können Karriererisiken sowie einseitige finanzielle Nachteile, welche mit dem Kinderhaben verbunden sind, reduziert werden. Auch die Schweizer Wirtschaft profitiert direkt von einer Elternzeit, da wieder mehr weibliche Fachkräfte in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Eine neue Studie der University of Zurich zeigt zudem, dass auch längere Betreuungsurlaube keinen negativen Einfluss auf KMU haben.

Gängige Mythen rund um die Elternzeit

Über die Elternzeit wird seit mehreren Jahren medial viel diskutiert – und kritisiert. Unter anderem mit den Argumenten, dass Elternzeit eine linke Forderung sei und dass Elternsein Privatsache bleiben soll. Die Argumente und Mythen gilt es unbedingt richtig zu stellen.

 

«Elternzeit ist eine linke Forderung.»

► Auf politischer Ebene kam ab 2014 die Forderung für eine Elternzeit vorwiegend aus dem bürgerlichen Lager (FDP, Mitte, BDP, GLP). Von der SP (2011) kam vorher lediglich die Idee einer vorübergehenden Steuererleichterung zwecks privater Finanzierung einer Elternzeit. Mittlerweile haben sich auch linke Kreise den Forderungen für eine Elternzeit angeschlossen. Allerdings unterscheiden sich die Vorstellungen darüber, wie eine Elternzeit ausgestaltet werden sollte, beträchtlich, vor allem auch bezüglich Länge und Aufteilung der Elternzeit.

► Die Unterstützung einer Elternzeit macht für bürgerliche Politiker/innen Sinn, da der Erhalt von weiblichen Arbeitskräften im Arbeitsmarkt für die Gesamtwirtschaft effizienter ist. Eine Neu-Rekrutierung aus dem einheimischen oder ausländischen Arbeitsmarkt, mit dem Erwerb der notwendigen Skills für die Tätigkeit, ist für eine Einzelfirma mit grösseren Kosten verbunden. Die Ausschöpfung des inländischen weiblichen Arbeitskräftepotenzials hilft gegen den Fachkräftemangel, generiert höhere Steuereinnahmen und Einnahmen für die Sozialversicherungen.

 

«Elternsein ist Privatsache, also auch die Elternzeit.»

► Aus liberaler Sicht sollten die Chancen für eine Erwerbstätigkeit unabhängig von Geschlecht, Zivilstand oder Einkommen erfolgen. Wenn bei der Geburt eines Kindes alleine die Mutter Urlaub beanspruchen kann, stellt dies einen klaren Nachteil gegenüber dem Vater dar. Da der Mutterschaftsurlaub in der Regel zu kurz ist, um die Rückkehr ins Erwerbsleben ausreichend zu organisieren, bezahlen vor allem besser situierte Eltern einen unbezahlten Urlaub nach der Geburt ihres Kindes aus der eigenen Tasche. Obwohl die Organisation innerhalb der Familie ganz klar Privatsache ist, sollte zumindest der Anspruch auf einen Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub der gleiche sein –für Männer, für Frauen, für Reiche, für Arme.

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